Gestalttherapie – was ist denn das?

Fritz und Lore Perls, die Begründer der Gestalttherapie, waren Psychoanalytiker und haben sich in Theorie und Praxis von Freud emanzipiert. In zentralen Punkten haben sie die Psychoanalyse geradezu auf den Kopf gestellt. Insbesondere gilt das für die Beziehung zwischen Therapeut und Klient.
Gestalttherapie setzt auf die Emanzipation des Menschen. Es geht um die Befreiung aus Nöten und Krisen, aber es geht auch um Entwicklung und Wachstum von “gesunden” Menschen”.

„Der Begriff Gestalt bedeutet “ein Ganzes”, und eines der Hauptanliegen in der Therapie ist es, ein Bild oder ein Gefühl von dir als ein Ganzes zu erhalten. In anderen Worten: Was bist du alles? Was bist du insgesamt? Was ist das ganze Bild von dir? Dazu ist viel Denken, viel Fühlen und viel Führung durch den Therapeuten erforderlich.

Zusammen suchen wir nach den wesentlichen Mustern deiner Existenz, den Hauptthemen deines Lebens und erforschen deren Ursprung in der Kindheit (oder in einem späteren Lebensabschnitt) und ihren gegenwärtigen Ausdruck sowie die Möglichkeiten, wie diese Muster verändert werden können. All die vorhergehenden Techniken und Konzepte können bei dieser Erforschung hilfreich sein. Eine andere Methode, die wir bisher noch nicht erwähnt haben, heißt “frühe Entscheidungen”.

THERAPIESTUNDE

Gestaltberatung und Gestalttherapie fließen ineinander.
Ob Sie allein kommen oder als Paar – die Sitzung orientiert sich immer an Ihrem aktuellen Befinden und dem, was für Sie gerade an vorderster Stelle steht: – Ihre Bedürfnisse und Nöte, Ihre Trauer, Ihre Freude, Ihre Gefühle. Therapeuten nennen das “klientenzentriert” und “Im Hier und Jetzt”. So lange Sie Ihre Gefühle vor sich selbst und “der Welt” verbergen, ist Veränderung kaum möglich. Das belegen auch jüngste Ergebnisse der Hirnforschung.
Basis einer Therapiestunde ist das Gespräch. aussagekräftiger als der Inhalt Ihrer Worte sind oftmals die Stimmlage, der Atem, das Verhalten Ihres Körpers, die vielen nonverbalen Signale, die Sie ständig aussenden. Die Gestalttherapie kennt eine Vielzahl von Techniken, die Ihnen helfen, aus sich herauszugehen.
Wichtig ist Ihre Beziehung zum Therapeuten. Gestalttherapeuten bieten Ihnen eine Ich-Du-Beziehung auf gleicher Augenhöhe an. Sie unterstützen ihre Klienten – mit jeweiliger Erlaubnis – auch körperlich (Konfrontation – Geborgenheit – Sicherheit). Ebenso wichtig ist es, dass Sie Vertrauen zu Ihrem Therapeuten entwickeln können. Sonst kann Therapie nur schwer gelingen.

DIE GEHEIMBOTSCHAFT TRAUM*

Dem Ansatz von Perls bzw. dem Gestalt-Ansatz liegt die Prämisse zugrunde, dass jeder Traum eine existentielle Aussage ist, d. h., eine Aussage über dein Leben. Ein weiterer Unterschied zwischen der Traumarbeit von Freud und der Gestalt-Traumarbeit ist die Bitte an den Klienten, den Traum in der Zeitform der Gegenwart zu erzählen, so als ob er jetzt passieren würde. Zum Beispiel: “Ich spiele Basketball, mein Dad ist der Coach” Dieses Erzählen in der Gegenwartsform geht mit einem intensiveren Erleben einher. Außerdem gehen wir davon aus, dass jede Person, jedes Geschehen oder jeder Aspekt eines Traumes einen bestimmten Anteil des Träumers darstellt bzw. reflektiert. Durch die Traumarbeit sollen all diese Teile des Traums ins Gewahrsein gelangen und letztendlich integriert werden.

ZWEI STARKE FLOPS: TOPDOG UND UNDERDOG*

Einer der Schwerpunkte in Fritz Perls Arbeit war die Integration von Konflikten und Gegensätzen, die wir alle in uns tragen. Perls prägte den Begriff “Topdog” und “Underdog” für die beiden Teile in uns, die über die vielen “Solls” streiten: “Du solltest wirklich abnehmen.” versus “Ja, aber ich liebe nun mal Eis.” “Du solltest deinen Vater besuchen.” versus: “Ja, aber ich möchte lieber an den Strand gehen.” und so fort. Eine Methode, die Perls hier oft verwendete, war der Dialog, in dem der Klient beide Seiten spielt: Zuerst spricht er alles aus, was ihm in den Sinn kommt, dann sucht er eine Lösung. Hier kann es sehr hilfreich sein, zwei Stühle, einen für jede Seite, zu verwenden.

EXPERIMENTE UND TECHNIKEN*

Im Gegensatz zu traditionellen Gesprächstherapien ist die Gestalttherapie immer offen für jedwede Form kreativen Intervenierens und Experimentierens, die sinnvoll erscheint. Ein therapeutisches Experiment mag daher viele verschiedene Formen annehmen: Kichern, Armdrücken, ein Bild zeichnen, Umhergehen, Umarmen, “Nein” schreien usw.

*Zitate aus Bud Feders Aufsatz: “Die Zwiebel schälen”