Kann Therapie Persönlichkeit verändern?

Der Schweizer Psychoanalytiker C. G. Jung meint dazu: “Der menschliche Charakter ist äußerst konservativ und träge. Er ändert sich nur unter schärfstem Leidensdruck.” Tatsächlich bestätigt die moderne Hirnphysiologie die Grundlagen der Psychotherapie. Sobald ein Kind den Mutterleib verlässt, baut sich sein Gehirn mit erhöhtem Tempo aus.
Die Sinnesorgane empfangen ständig Signale aus der Umwelt und leiten sie an die Neuronen weiter. Diese werden angeregt und verknüpfen sich an ihren Kontaktstellen, den Synapsen, zu neuronalen Netzen.

DAS GEHIRNEINE DAUERBAUSTELLE

Seitdem sich die Psychotherapie neurobiologisch fundiert hat, gehört es zur Grundkenntnis, dass auch und gerade die Gefühle und damit der Prozess der Charakterbildung – ängstlich, schöpferisch, inszenierend, verschlossen, zwanghaft – neuronal vernetzt werden. Je häufiger eine Verbindung durch denselben Reiz bestätigt wird, desto intensiver verfestigt sie sich. Das bestimmt, was ein Mensch fühlt, kann – und wer er ist. Aus der Kausalität der gehirnneurologischen Prozesse folgt nicht die deterministische und zementhafte Struktur des Bewusstseins. Denn die Hirnforscher zeigen uns, dass das Gehirn eine “Dauerbaustelle” ist, sodass wir uns zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens auch neu konstruieren können, indem wir irgendeines der alten Muster verlassen und anders zu sehen, zu fühlen oder zu handeln beginnen als früher.

UMKEHR IST MÖGLICH. IMMER!

“Es lässt sich kaum noch daran zweifeln”, sagt der bekannte Hirnforscher Prof. Harald Hüther, “dass mit geeigneten psychotherapeutischen Interventionen eine Reorganisation neuronaler Verschaltungen prinzipiell erreichbar ist. … Was Psychotherapie also anstoßen müsste, sind implizite Lernprozesse, also am eigenen Leib und mit eigenen Sinnen gemachte neue Erfahrungen. Am wirksamsten können dabei solche Erfahrungen, die an emotional positiv besetzte oft aus der frühen Kindheit mitgebrachte Ressourcen anknüpfen. Psychotherapie müsste also tief berühren und alte Sehnsüchte wecken, muss die Kraft und den Mut stärken, sich auf den Weg machen zu wollen. Der Rest passiert dann im Gehirn von allein.”